Stottern – wie es entsteht und was man dagegen tun kann
Störungen im Redefluss treten bei Kindern relativ häufig auf, wenn sie das Sprechen lernen. Bei vielen vergeht das Stottern schnell wieder, bei einigen bleibt es. Und in diesem Fall haben die Betroffenen zeitlebens damit zu kämpfen.

Beim Stottern werden einzelne Laute, Silben oder Wörter wiederholt; es kommt zu ungewollten Sprechpausen, und oft einem lautlosen Herauspressen von Anfangsbuchstaben. Weiterhin kann sich Stottern im Langziehen einzelner Laute äußern.

Etwa 820.000 Menschen in Deutschland stottern. Meist beginnt das Stottern zwischen dem zweiten und dem fünften Lebensjahr. Es kann bis zur Pubertät verschwinden, danach tritt eine Heilung nur noch selten auf. Etwa ein Viertel der Erwachsenen, die als Kinder gestottert haben, schlägt sich im Erwachsenenalter immer noch damit herum Eine Heilung ist dann zwar nicht mehr möglich, es gibt aber therapeutische Ansätze mit speziellem Sprechtraining, die helfen, die drei Leitsymptome des Stotterns in den Griff zu bekommen: erstens Dehnungen und Verlängerungen, zweitens Blockaden, die stumm oder hörbar sein können, und drittens das Brauchen mehrerer Anläufe, so dass Satzteile wiederholt werden müssen. Rasche Wiederholungen von Lauten, Silben oder Wörtern, so genanntes klonisches Stottern, trifft ebenfalls sehr oft auf.

Viele Betroffene schämen sich und versuchen, ihren Makel zu verstecken. Sie vermeiden daher oft soziale Interaktion. Lassen sich Gespräche mit anderen nicht vermeiden, werden bestimmte Wörter gemieden, von denen die Betroffenen wissen, dass sie sie besonders schlecht aussprechen können. Das Vermeidungsverhalten und der soziale Stress verstärken das Problem meist jedoch noch. Je größer der psychische Druck, desto schlimmer wird das Stottern.

Die soziale Angst, von anderen ausgelacht oder ausgegrenzt zu werden, ist für viele Betroffene schwer zu ertragen. Dabei hat Stottern nichts mit mangelnder Intelligenz oder einem fehlenden Sprachgefühl zu tun, vielmehr funktioniert die Abstimmung zwischen zwei Gehirnregionen im Bereich des Sprachzentrums einfach nicht ganz reibungslos.

Die Verarbeitung von Sprache findet bei fast allen Menschen in der linken Gehirnhälfte statt. Dort befinden sich die beiden grundlegenden Sprachzentren des Menschen: das Broca- und das Wernicke-Areal. Während das Wernicke-Areal für das Verstehen von Sprache verantwortlich ist, wird die gesprochene Sprache über das Broca-Zentrum erzeugt.

Wenn wir sprechen, hören wir uns selbst. Durch diesen Mechanismus haben wir eine Art eingebauter Kontrollschleife: Während wir sprechen vergleicht das Broca-Zentrum quasi ständig, ob das, was von uns zu hören ist, auch das ist, was zu sprechen geplant war. Auf winzige Abweichungen kann es in extrem schnell reagieren. Dazu wird die Information aus den Ohren zunächst in den akustischen Cortex geleitet, der sich in der Nähe der Ohren auf der Großhirnrinde (Cortex) befindet. Dort wird die Information grob analysiert und dann wieder an das Broca-Areal weitergeleitet. Bei Stotterern ist diese Abstimmung zwischen akustischen Cortex und dem Broca-Areal beeinträchtigt. Der Abgleich zwischen Geplantem und Gesprochenen kann deswegen nicht ganz so schnell erfolgen, und die Betroffenen werden unsicher im Formulieren von Sprache. Dass besonders Kinder anfangen zu stottern, liegt daran, dass sich die Sprache in den ersten Lebensjahren entwickelt. Erwachsene, die – zum Beispiel nach einem traumatisierendem Erlebnis – anfangen zu stottern, sind in der deutlichen Minderheit.

Das Erlernen der Muttersprache erfolgt intuitiv innerhalb der ersten zwei, drei Lebensjahre. Im Alter von sechs Monaten beginnen Babys zu Brabbeln, sie Lallen und können noch keine klaren Laute hervorbringen. Deutlicher wird das Sprechen erst zwischen dem ersten und zweiten Geburtstag. Nach dieser „Einwortphase“ explodiert das Sprachvermögen schier. Der Wortschatz steigt sprunghaft auf mehr als 200 Wörter an, und erste kurze Sätze können gebildet werden. Einfache Sätze beherrschen Kinder dann recht souverän im Alter von drei Jahren. Das Kinder in dieser Zeit des Spracherwerbs Wörter wiederholen oder teilweise sogar stottern, ist normal. Unflüssigkeiten treten recht häufig auf und verschwinden ebenso wieder. Wird die Grammatik komplexer, können allerdings spezifische Auffälligkeiten einen Hinweis geben, dass sich ein langfristiges Problem entwickeln könnte. Fünf bis zehn Prozent der Kinder zeigen in den ersten drei Lebensjahren zuweilen leichtes Stottern, 80% der Kinder verlieren es von alleine wieder. Treten die Kernsymptome aber über längere Zeit hinweg auf, kann der Besuch bei einem Kinderarzt oder Logopäden weiterhelfen. Zu den Kernsymptomen zählen die oben bereits genannten drei, also 1 ) Wiederholungen von Lauten, Silben und Wörtern 2) Dehnungen von Wörtern oder 3) Blockierungen.

Die Begleitsymptomatik beim Stottern kennzeichnet sich besonders im späteren Verlauf mit Anstrengungsverhalten um ein Wort auszusprechen, z.B. Augen schließen, Hand auf Oberschenkel schlagen oder generellem Vermeidungsverhalten.

Eltern, sie Sorgen haben, dass sich Stottern bei ihrem Kind entwickelt, sollten einige Monate abwarten, ob schwächeres Stottern sich von alleine wieder auflöst. Bleiben die Symptome über ein halbes Jahr bestehen, könnte man über eine Lerntherapie nachdenken. Auch hilft ein Blick in die Familie, um abschätzen zu können, ob das Stottern langfristig blieben könnte. Denn Stottern ist bis zu 80 Prozent Sache der Gene. Wir lernen also nicht zu stottern, sondern kommen mit einer entsprechenden Disposition hierzu auf die Welt. Auch eine liebevolle Erziehung und gute Sprach- und Sprechförderung kann das nicht immer abpuffern. Denn wie beschrieben ist es eine Frage der neuronalen Strukturen. Im Broca-Areal finden sich dünnere Stellen an der Gehirnrinde und veränderte Faserverbindungen zum akustischen Cortex, so dass die eigene gehörte Sprache beim Sprechen nicht gleichzeitig eingepasst werden kann.

Viele Prominente stottern, zum Beispiel Bruce Willis. Auch Marylin Monroe soll gestottert haben. Untersuchungen zeigen, dass sogar Tiere stottern, Zebrafinken zum Beispiel: Wie wir Menschen unsere Sprache müssen die Vögel als Jungtiere ihren Gesang lernen. Einige Tiere neigen, sobald sie nervös werden, zu stakkatoähnlichen Flötensalven.

Was kann man tun gegen Stottern? Für Menschen gibt es spezielle Kurse, in denen man lernen kann, mehr auf seine eigene Sprache zu achten, typische Stotterfallen im Vorfeld zu erkennen und zu umgehen. Eine weitere gute Übung ist Singen. Denn viele Stotterer haben kaum Symptome beim Singen. Die melodische Abfolge scheint dem Gehirn zu helfen, die Wörter in der richtigen Reihenfolge zu programmieren. Weiterhin kann man seine Aussprache trainieren, zum Beispiel bestimmte Wörter in die Länge ziehen. Ohne eine solche Therapie verschwindet das Stottern bei Erwachsenen in der Regel wie gesagt nicht mehr. Es können mit Therapie aber gute Erfolge erzielt werden, so dass Außenstehende von dem Stottern kaum noch etwas mitbekommen. Für Betroffene gibt es zudem die Selbsthilfegruppen. Der Austausch mit anderen kann helfen, eigene Unsicherheiten zu überwinden.

Welche Therapie speziell hilft, muss individuell entschieden werden. Mittlerweile sind auch Online-Kurse möglich, bei denen man vor Trainingsstart seine eigene Stimme einsprechen kann, an der sich das Training danach orientiert. Die Methoden basieren auf dem „Fluency Shaping“, bei dem eine stotterfreie Sprechweise eingeübt wird, indem man beispielsweise einen weichen Stimmeinsatz zu Beginn des Sprechens oder das bewusste Dehnen von Vokalen am PC einübt. Die Betroffenen lernen mit diesen Ansätzen, auf ihr Stottern besser reagieren zu können. Auch stärken eigene Erfolge das Selbstvertrauen.